Für Weintrinker ist die Wahl des Glases kein Thema mehr. Jeder Gastgeber weiß, in welches Gefäß Rotwein und Weißwein gehören. Viel mehr Diskussionen gibt es da bei den Espresso-Trinkern. Bei den kleinen Tassen herrscht noch ein buntes nebeneinander, nicht nur an Form und Design. Ist Steingut besser oder Porzellan? Soll eine Espresso-Tasse dick und schwer oder grazil und leicht sein? Und in welcher Form gelingt die Crema am besten? In der „Flöte“, in der „Tulpe“, oder in der „Eckigen“?
Aus den italienischen Straßencafés und Bars sind sie nicht wegzudenken – schwere, dickwandige Tassen mit einem breiten Rand. Ganz in der Tradition des Mittelmeer-Raums sind sie aus Steingut (Steinzeug) hergestellt. Das Material, die Erde, wird bei niedrigeren Temperaturen gebrannt. Durch seine spezifische Eigenschaft müssen diese Tassen dicker hergestellt werden, damit sie „halten“. Auch ist Steingut in sich poröser als Porzellan.
Noch mal zur Begriffsklärung: Im Sprachgebrauch wird gerne der Begriff „Keramiktassen“ verwendet, der jedoch alle keramischen Erzeugnisse aus Ton umfasst, und somit bei den Herstellern als Oberbegriff verwendet wird. In Deutschland werden Tassen zu einem großen Teil aus Porzellan hergestellt.
Die markantesten und optisch wahrnehmbaren Unterschiede zwischen Steingut und Porzellan sind:
Beide Materialien haben ein gutes Wärmespeichervermögen. Das bedeutet, dass dicke Tassen den Espresso auch länger warm halten – aber nur, wenn die Tassen vorgewärmt werden.
Neuerdings gibt es auch Glas- und Metalltassen auf dem Markt. Obwohl auch sie von der Form und dem Durchmesser den Porzellanvorbildern in nichts nachstehen, werden sie nicht so recht von den Verbrauchern angenommen. Kritiker wenden ein, dass sie zu schnell die Wärme abgeben. Glastassen neigen dazu, dem Kaffee geschmacklich eine saure Note zu geben. Auch das Material Metall „reagiert“ mit den Kaffeesäuren und scheint unter Kennern dem Kaffee gegenüber als Material nicht neutral genug zu sein.
Einer der Hauptstreitpunkte bei der Wahl der richtigen Tasse ist die Form. Sie soll einen erheblichen Einfluss auf den Geschmack des perfekten Espressos haben. Doch welche Eigenschaften soll die ideale Tasse denn aufweisen?
Wie beim Wein kommt das Riechen vor dem Trinken, d.h. der Geschmack wird zuerst von der Nase wahrgenommen (hat man beispielsweise Schnupfen, schmeckt man auch nichts). Wie trifft der Duft in den Nasenrachenraum, wie verteilt er sich? Diese Fragen halten Experten relevant für den passenden Durchmesser der Tassen.
Beim Trinkvorgang selbst wird untersucht, wie sich das Getränk auf der Zunge verteilt und in den Mund- und Rachenraum läuft.
Waren die Tassen in den 50er Jahren noch groß und weit auseinander laufend, so hat sich jetzt doch bei allen Formen ein enger Durchmesser als Standard durchgesetzt. Die konisch nach unten laufende Tulpenform besitzt ein Großteil der Tassen. Allerdings sind diese „italienischen“ Tassen oft breiter als 8 Zentimeter, und laufen so Gefahr, dass die Crema zerfließt und reißt.
Der Unkundige macht spätestens an dieser Stelle zum ersten Mal Bekanntschaft mit dem „Crema-Höcker“. Um das Zerfließen zu vermeiden, haben die Porzellan-Designer den Boden der Tasse leicht nach oben geschwungen, also konkav geformt. In der Mitte des Bodens befindet sich ein leichter Höcker oder Nippel, den man mit dem Finger gut fühlen kann. Diese Wölbung verhilft dem Getränk zu einem zentralen, stabilem Schaum, dem Traum jedes Espresso-Zubereiters.
In Mode ist auch die „Flötenform“ gekommen. Sie besitzen einen engen Durchmesser und sind fast doppelt so hoch wie die „Tulpen“. Der Vorteil – weil sie so eng sind, bekommt man eine Crema sehr leicht hin, und sie hält auch die Temperatur am besten. Kritiker bemängeln, dass man beim Trinken ständig mit der Nase hängen bleibt, und dass auch das Getränk den Geschmack nicht konstant hält, da die Füllmenge zu sehr in die Länge gezogen sei. Laufen die Tassen nach unten nicht konkav, sondern eckig aus, kann man auch Schwierigkeiten mit der Crema bekommen.
Die Zubereitung: Auswirkung auf den Geschmack
Eines ist klar. Die Voraussetzung für einen guten Espresso ist die richtige Zubereitung des Getränks. D.h. die Espresso-Sorte muss richtig geröstet sein, mit dem richtigen Mahlgrad gemahlen sein und auch mit dem richtigen Anpress-Druck in den Siebträger gefüllt worden sein.
Zurück zu den Tassen: Sie müssen warm und trocken sein. Ist die Tasse noch nass, dann zieht die Crema beim Einlaufen im Tassenrand nach oben und lässt in der Mitte ein Loch. Benutzt man eine kalte Tasse, bekommt der Espresso den so genannten „Kälte-Schock“, der Geschmack schlägt sofort ins Bittere um. Deshalb sollten die Tassen immer vorgewärmt werden, bei einer Temperatur zwischen 64° und 70°C. Die meisten Maschinen und Vollautomaten haben dazu eine beheizte Tassenablage.
Fazit: Form geht vor Design
Eine passende Tasse ist eine gute Voraussetzung, aber nicht das Heilmittel für einen perfekten Espresso. Denn bis der Espresso in die Tasse kommt, kann viel falsch laufen. Hat man die richtige Sorte Espresso, berücksichtigt man die wichtigsten Faktoren bei der Zubereitung und wärmt man die Tasse an, dann müsste sich der Erfolg auch einstellen.
Und haben Sie bei der Kaufentscheidung neben allen funktionellen Aspekten auch noch eine Tasse mit einem schönen Design gefunden, dann haben Sie sich wahrscheinlich bei Espresso International umgeguckt…
Quelle: Kaffee-oder-Tee-Ecke des SWR. Vielen Dank für die tollen und umfangreichen Infos!