Die Studie beweist einmal mehr, dass Genuss im heutigen Deutschland längst ein anerkannter Wert ist. In seiner Wertschätzung über die protestantisch-preußischen Bundesländer des Nordens herausragend sind erwartungsgemäß die südlich-katholischen Genussgemeinschaften Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern. Generell jedoch ist Genuss längst nicht nur Auf-, sondern zugleich Anforderung. Wer über kein Peugeot-Mahlwerk verfügt, um seine Pfefferkörner streufähig zu machen, trinkt womöglich auch Instantkaffee und frisst kleine Kinder. Genussterror entfaltet sich eben nicht nur in der Werbung, sondern auch im Kreise der lieben Freunde und Bekannten, denn je nach Statusorientiertheit gilt dort der Leitsatz: Man ist, was man isst – und das, was man sich zum Abschluss des Mahles „gönnt“. Einen kleinen Espresso, bitte schön.
Übrigens ist im Mutterland des „kleinen Schwarzen“ der Umsatz von Espresso in den berühmten Stehcafés seit 1990 um 20 Prozent zurückgegangen. Als Grund für diese Krise wurde die immer schlechter werdende Qualität der verwendeten Bohnen vermutet. Wie auch immer: Das in Italien verhängte Rauchverbot an öffentlichen Orten wird sich wohl nicht absatzfördernd auswirken, denn für viele Kaffeetrinker gehört zum Kaffeegenuss noch etwas dazu. Ein Stückchen Gebäck oder Kuchen, etwas Schokolade oder aber: eine gepflegte Zigarette.
Quelle: taz.de „Jenseits der Zittergrenze“