Es gibt zahlreiche Legenden über österreichische Kaffeehäuser: Johann Strauss, beispielsweise, wäre ohne Kaffeehaus nie Walzerkönig geworden. Erzählt werden aber auch Geschichten, die schlicht falsch sind: Die vielen hohen Fenster im Café gibt es nicht deshalb, damit man den Menschen auf der Straße beim Stadtbummel zuschauen kann. Und wie ist das mit dem Glas Wasser zum Kaffee?

Österreichische Kaffeehaustraditionen und ihre härtesten Klischeeskaffeehaus_wien_central.JPG

Kaffeehäuser gibt es in Österreich seit Ende des 17. Jahrhunderts. Seitdem sind sie gesellschaftlicher Treffpunkt in Wien, Salzburg, Graz und auch kleineren Städten. Wer die Kaffeehäuser in den vergangenen Jahrhunderten besucht hat? Nach Worten von Alfred Polgar, Besitzer des „Café Central“ in Wien um 1900, „Leute, die allein sein wollen, dazu aber unbedingt Gesellschaft brauchen“. Dazu zählten Schriftsteller wie Arthur Schnitzler, Franz Kafka, Thomas Bernhardt, Komponisten und Journalisten. Für sie waren Kaffeehäuser Lesehalle, Nachrichtenbörse, Club und Wohnzimmer. Anwälte nutzten sie auch als Arbeitsstätte. Sie luden oft Klienten zu Besprechungen in eine ruhige Ecke, woraus der Begriff des „Winkeladvokaten“ entstand. Die Einrichtungen der Cafés wurden von verschiedenen Stilelementen geprägt: Spiegelverkleidungen, prächtige Wanduhren, einen Billardtisch und viel Porzellan gab es dort. Große Rundbögen schmückten die hohen Decken, verzierte Leuchter – zunächst mit Kerzen, später mit Lampen – hingen tief in den Raum hinein, Korbsessel standen an echten oder falschen Marmortischen.

Eckhaus als Caféherberge – „Einblick“ für die Obrigkeit

Cafés wurden in Österreich meistens in Eckhäusern eröffnet und mit möglichst vielen und hohen Fenstern ausgestattet. Damit die Besucher besonders gut das Treiben auf der Straße beobachten konnten, so steht es in zahlreichen Büchern. Aber was war der wahre Grund? Viel Glas und eine ebenerdige Lage waren Bedingung: Die Obrigkeit sollte von außen Einsicht auf das Geschehen drinnen haben. Denn das Kaffeehaus war in Zeiten der Monarchie auch Ort von Gedanken und Gesprächen um Demokratie und Anarchie. Der Kaiser und die Fürsten schickten ihre Polizisten aus, um informiert zu sein.

Zahlreiche Kaffeevariationen – vom Fiaker zur Kaisermelangekaffeehaus_wien_sperl.JPG

Neben demokratischem Flair machten auch andere Dinge die Anziehungskraft von Österreichs Kaffeehäusern aus: die bis zu 200 vorhandenen Zeitungen aus allen Ländern, die Kaffeehausmusik und der Zigarrenduft, der das Gefühl ermöglichte, nicht zu Hause aber dennoch nicht an der frischen Luft zu sein. Vor allem aber kamen die Menschen aus einem Grund in die Kaffeehäuser: Hier gab es Kaffee in zahlreichen Variationen. Rund 50 kann allein Wien aufweisen. Berühmt ist Österreich für die „Melange“. Der Klassiker besteht aus halb Kaffee, halb Milch, wird mit Zucker gesüßt und im Stielglas oder einer weiten Teeschale serviert. Die „Wiener Melange“ bekommt eine Haube aus schaumig geschlagener Milch. Bei der „Kaisermelange“ dagegen wird schwarzer Kaffee mit einem Eigelb, Honig, Schlagsahne und einem Schuss Rum verfeinert. Wer ausschließlich schwarzen Kaffee trinken will, bestellt einen „Fiaker“. Beim „Einspänner“ wird schwarzer Kaffee im Kelchglas mit geschlagener Sahne – österreichisch: Schlagobers – aufgefüllt.

Kaffee und das Glas Wasserkaffeehaus_wien.jpg

Zu Beginn des Kaffeehauslebens bekam der Gast zum Kaffee automatisch ein Glas Wasser serviert. Der Grund: Bei den damaligen Verarbeitungen der Bohnen entstand durch Rösten und Überbrühen mit kochend heißem Wasser Gerbsäure. Sie greift die Schleimhäute an. Deshalb konnte der Kaffeetrinker mit einem Schluck Wasser die Schleimhäute benetzen und sie so schonen. Heute ist die Stärke der Gerbsäure durch moderne Zubereitungs-Verfahren unbedeutend geworden. Das Glas Wasser kommt nur noch auf Bestellung, da ein automatisch serviertes Wasser auf die geringe Qualität des Kaffees hinweisen würde. Trotzdem schätzen einige Besucher die Extra-Portion Flüssigkeit. Veraltete medizinische Erkenntnisse sagen nämlich, Kaffee sei harntreibend und bringe den Wasserhaushalt aus dem Gleichgewicht – eine These, die inzwischen allerdings längst widerlegt wurde!

Quelle: Kaffee-oder-Tee-Ecke des SWR. Vielen Dank für die tollen und umfangreichen Infos!

5 KOMMENTARE

  1. Daß die hohen Fenster von der Obrigkeit gefordert wurden, um bessere Einsicht auf das Geschehen zu haben erscheint nicht so ganz plausibel – vielleicht damit man vom „hohen Roß“ da hineinsehen konnte? Ist es denn überliefert, daß es eine administrative Forderung war?
    Logischer erscheint doch, daß es einfach dazu diente, möglichst viel Licht ins Café zu lassen, zur Erleichterung der Zeitungslektüre.

  2. Also, daß das Glas Wasser nur noch auf Bestellung kommt, ist in einem Wiener Kaffeehaus undenkbar. Hier gibt es nach wie vor und ganz automatisch das obligatorische Glas Wasser dazu.

  3. wien, wien nur du allein, sollst die stadt meiner träume sein.
    nach einer schönen fiackerl rundfahrt, im cafe amtmann, den abend beginnen was gibt es schöneres!!!

  4. Tschuldigens aber, das mit dem glas wasser ist a blödsinn. in wien bekommens kein kaffeetscherl ohne an glaserl wasser.
    sollte sowas je vorkommen dann ist der ober ein kretin.

  5. Da muss ich navratil schon Recht geben. In einem echten Wiener Kaffeehaus gibt es heute wie damals en Glas Wasser zum Kaffee.
    und @pat, du meinst sicher das Cafe Landtmann in der Nähe des Burgtheaters?!
    Allen, die in Wien man ein „richtiges“ Kaffeehaus besuchen möchten, also eines, in dem es auch ein Glas Wasser gibt :-), empfehle ich die Seite Kaffeehaus in Wien Hier werden die besten Locations (wenn man das Wort in diesem Zusammenhang benutzen darf) vorgestellt.

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